
Gestern, am 9. September wurde der Grüne Bericht 2020 veröffentlicht, der die Situation der österreichischen Land- und Forstwirtschaft analysiert. Der Bericht bestätigt meine Kritik an der Landwirtschaftspolitik der ÖVP: die Vision fehlt.

Eine alte Weisheit besagt: Wir werden uns dessen was wir haben erst bewusst, wenn wir es verlieren. Erleben wir momentan solch einen Verlust hinsichtlich unserer so sicher geglaubten Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln? Sind die Tage der stets vollen Supermarktregale vorbei? Die COVID-19 Pandemie ist jedenfalls ein echter Stresstest. Aber weitere Herausforderungen lauern schon am Horizont.

Heute gehen wir auf eine Zeitreise ins Jahr 2018. Die schwarz-blaue Bundesregierung ist im Amt und in Brüssel tagt das sogenannte PAFF-Komitee (Standing Committee on Plants, Animals, Food and Feed). Seine Aufgabe ist es sicherzustellen, dass EU Maßnahmen in Bezug auf Lebens- und Futtermittelsicherheit, Tiergesundheit und Tierschutz, sowie Pflanzengesundheit praktisch und wirksam sind. Insbesondere übt das PAFF-Komitee seine Beratungsfunktion zu Entwürfen für Maßnahmen aus, die die Kommission zu beschließen gedenkt.

Man kann zu Simone de Beauvoir durchaus unterschiedliche Meinungen vertreten, aber dass sie eine hellwache Beobachterin ihrer Umwelt war, stellt kaum jemand in Zweifel. Wesentliche Fakten wegzulassen, ist in der Tat ein verbreitetes Mittel der Argumentation – insbesondere in der Politik.

Politik manifestiert sich ja bekanntlich im Budget. Wie dieses in groben Zügen aussehen wird, kann man - mehr oder weniger - aus dem Regierungsprogramm herauslesen. Vielleicht werden wir im Zuge der anstehenden Regierungsklausur in Krems bald Näheres erfahren. Spätestens wissen werden wir es am 18. März – dem Tag der Budgetrede. Das ist jener Tag an dem das auf 326 Seiten erbaute Luftschloss schöner Worte auf Konkretes zusammenschrumpfen wird.

Das Regierungsübereinkommen zwischen Türkis und Grün wurde nicht zuletzt deshalb mit solcher Spannung erwartet, weil sich viele Positionen der beiden Parteien so stark unterschieden. In kaum einem Bereich war das so evident wie bei der Landwirtschaft. Die Konfliktlinien zwischen den Parteien verlaufen relativ exakt entlang der teilweise bewusst inszenierten Fronten zwischen Umweltorganisationen und Landwirtschaftsvertretern in Bezug auf Klimapolitik, Tierwohl und Umweltschutz.
Auch die Wählergruppen weisen wenig Schnittmengen auf: Typische Grünwählerinnen und -wähler sind urban, jung und umweltbewusst mit wenig direktem Bezug zur Landwirtschaft außer als Konsumenten, während die ÖVP eher ältere, ländliche Zielgruppen anspricht und historisch sehr stark mit der landwirtschaftlichen Interessensvertretung verbunden ist.